„Familie kann man sich nicht aussuchen, Schwesterchen. Seine Freunde dagegen schon.“ Grinsend trocknete Kumar sich sein sonnengebleichtes, langes Haar ab und ließ seine gebräunten Muskeln spielen. Kara sah ihm dabei zu und ihr entging nicht, dass er außer einem Handtuch um die Hüften nichts weiter trug.
Das Schwimmen hatte gut getan. Sehr gut sogar.
„Ist das jetzt etwa wieder eine deiner milareinischen Insel-Weisheiten?“ Provozierend blies sie eine widerspenstige, rotbraune Strähne aus ihrer Stirn und sah dabei beinahe wie ihre Mutter Dariell aus. Sie rekelte sich auf seinem Bett und ließ gelangweilt ihre Fersen auf ihre halb nackten Pobacken klatschen. Er mochte, wie sie ihn dabei ansah. Mit diesem leicht schelmischen Lächeln auf ihren hübschen Lippen und diesem glühenden Funkeln in ihren hellblauen Augen. Er mochte auch ihr dünnes, rotes Kleid.
„Das ist ein Fakt, Schwesterchen.“ Er fuhr sich durch sein noch immer nasses Haar. „Genauso wie, … dass unser Kaiser von Unsterblichen abstammt, unser schönes Merlisade die fortschrittlichste Stadt unter dem Himmel ist oder unser Land sich ständig im Krieg mit der restlichen Welt befindet … Manche Dinge ändern sich eben nie.“
„Ich weiß nicht … Ich finde, man kann nie zu viel Familie haben.“ Sie grinste und spielte mit ihren langen Haaren.
„Mhm“, seufzte er und sah sie zweifelnd an. Manchmal wäre ihm ein bisschen weniger Familie lieber gewesen. Zwei Väter und zwei Mütter zu haben, dazu vier Geschwister – zwei Brüder und zwei Schwestern – und noch dazu alle im selben Anwesen … Das war dann schon fast ein bisschen zu „traditionell“ für seinen Geschmack. Geradezu undenkbar, dass es auch irgendwo Familien geben sollte, die nur aus Vater, Mutter, Kind bestanden. Aber zum Glück musste er diese Entscheidung nicht treffen. Denn seit er sich zurückerinnern konnte, wusste er, dass er eines Tages Kara heiraten und mit ihr schlafen würde.
Sie streckte den Arm nach ihm aus und bekam sein Handtuch zu fassen.
„Irgendwie siehst du heute unzufrieden aus, Schatz“, flötete sie.
Bei Soleter, dem kranken Träumer … Sie hatte definitiv die Schönheit ihrer Mutter und das Lächeln und die Augen ihres Vaters geerbt. Was für ein Rotbraun! Der hübsche Farbton ihrer Haare lag irgendwo zwischen Dariell und Raian. Ihr Teint auch. Sie sah immer aus, als wäre sie diesen einen kleinen Tick zu lange in der Sonne gelegen. Ihre Eltern hatten mit ihr eindeutig das Beste erschaffen, wozu sie fähig waren.
„Ist das sooo offensichtlich?“, dehnte er jedes Wort.
„Na, hör mal“, flirtete sie und zog ihn glucksend zu sich. Beinahe verlor er das Handtuch um seine Hüften. „Du bist mein Bruder.“ Sie streckte ihm ihr Kinn entgegen und küsste ihn auf die Lippen. Es war ein himmlischer Kuss. Ihr mädchenhafter Duft hüllte ihn ein und machte ihn ganz benommen. Sie roch wie ein Blütenmeer. Nach den köstlichsten und exotischsten Früchten aus Kumaa und Übersee. Er konnte gar nicht anders als sie immer weiter zu küssen.
„Nimmst du mir noch immer übel, dass ich Boote und das salzige Meer nicht mag?“, schmollte sie gespielt. „Ich bin halt kein milareinisches Strandmädchen, das ihrem Geliebten über alle Riffe und durch alle Stürme folgt.“
Nein, das war es nicht. Oder doch. Aber nicht jetzt. Er hatte gedacht, dass das Schwimmen und das Segeln seine Laune verbessern würde, aber …
„Immer dieselbe Stadt“, seufzte er. „Immer dasselbe Haus. Immer dasselbe Leben … Nur ein anderer Tag. Würdest du dir nicht auch zwischendurch mal wünschen, dass einmal etwas … Ich weiß auch nicht … dass wenigstens EINMAL etwas Aufregendes passiert?“
„Ach was! Komm, ich bring dich wieder auf andere Gedanken.“ Sie zog ihn zu sich auf sein Bett und küsste sich seinen nackten Oberkörper aufwärts bis zu seinem Mund. Sein Schwanz schwoll an und beulte sein Handtuch aus. Kichernd nahm sie seine erstarkende Männlichkeit zur Kenntnis. Ihre Fingerspitzen erkundeten jeden Muskel seines ertüchtigten Körpers, machten jedoch immer einen gefühlvollen Bogen um seine stattliche Erektion. Das heizte ihn nur noch mehr an. Immer schärfer und wilder küsste er sie, bis ihr die Luft wegblieb. Sie verrenkte sich in seinen Armen und erschauderte wohlig. Er ließ es sich nicht nehmen, um ihre sanft geschwungenen, jungen Brüste herumzustreichen und seine Hand über ihren flachen Bauch zu ihrem Schoß hinuntergleiten zu lassen. Aufstöhnend hielt sie seine untersuchenden Fingerspitzen zurück und starrte atemlos auf seine beträchtliche Härte unter dem Handtuch.
„Pfuh“, machte sie und strich bebend ihr langes Haar nach hinten. „Das war … Das war heftig.“ Sie sah ihm tief in die Augen. „Ich liebe dich, Kumar.“
Sie meinte das ernst. Aus den Tiefen ihrer Seele. Ein angenehmes Prickeln lief seinen Rücken hinab. Bis in seinen Schwanz.
„Oh ja, tust du wirklich, Schwesterherz“, grinste er.
„Blödmann!“ Sie kicherte und klatschte ihm spielerisch auf die Stirn. „Du bist so albern.“
Und er küsste sie gleich noch mal. Sie streckte sich auf seinem Laken und schnurrte. Ihre Fingerspitzen glitten seinen strammen Bauch hinunter und stoppten bei dem Handtuch. Nur ein kleiner Ruck und er hätte es sofort verloren. Seine Erektion tobte hart unter dem Stoff. Sie schmunzelte zufrieden. Oh ja, sie genoss es zu wissen, wie prall sein Lustprügel bereits war, war aber zu feig, ihn dort zu berühren. Wieder einmal. Als wüsste sie, dass es dann kein Zurück mehr gab. Dass es vielleicht etwas in ihr auslösen würde, worüber sie die Kontrolle verlor. Das amüsierte IHN wiederum!
Er stützte seinen Kopf auf seinen Ellenbogen und betrachtete ihre zeitlose Schönheit. Sie war noch immer ein Mädchen, doch man konnte bereits die Frau erkennen, die sie einmal werden würde. Was hatte er doch für ein Glück, dass sie ihm seit Kindertagen versprochen war.
„Was ist, Liebster?“, flüsterte sie und biss sich verspielt auf die Unterlippe.
„Nichts … Ich liebe dich und ich könnte nie müde werden, dich anzusehen.“ Er schüttelte den Kopf und lächelte. Er wollte nicht ernst werden. Nicht jetzt. Aber … Er zuckte mit den Schultern. „Das ist der letzte Doppelvollmond, bevor wir Erwachsene sind“, kam es ihm in den Sinn. „Nach der Schule erwarten uns neue Verpflichtungen … irgendwo hinter einem Schreibpult unter Bergen von Akten vergraben und hoffentlich unsere neue Familie.“
„Ist das nicht herrlich?“, strahlte sie sonnig. „Ich werde dann eines von nur zwei Mädchen in meiner Klasse sein, das schon verheiratet ist. Mann, werden die anderen alle neidisch sein.“
Er lächelte schwach.
„Aber mit Kindern müssen wir noch warten“, schränkte sie ein. „Ich will zuerst die Schule abschließen. Und DICH will ich ganz für mich allein, bis wir uns ein zweites Pärchen suchen.“
Er sah ihr tief in die Augen und nickte. „In Ordnung, Kleines.“
Sie strahlte glücklich und küsste ihn. Küsste ihn so lange, dass nun ihm die Luft wegblieb.
„Oh Kumar …“ Ihre Stimme schwankte verdächtig. „Versprich mir, dass unser Leben immer so sein wird und nie zu Ende geht.“ Aufglucksend streckte sie ihre schlanken Arme weit nach hinten. Der dünne Stoff über ihren Brüsten spannte. Deutlich zeichneten sich ihre klitzekleinen Knospen darunter ab. Zu gern hätte er die frechen, kleinen Nippel in den Mund genommen. Mit seinen Lippen an ihnen geknabbert. An ihnen gesaugt. Doch Kara hätte ja doch nur wieder entrüstet das Gesicht verzogen, ihn weggeschubst und gelacht.
Er seufzte.
„Es wird genauso sein, wie es für uns vorgesehen ist.“
„Hmm“, machte sie gespielt enttäuscht. „Das klingt schon ein bisschen vage. Ich wollte hören … ‚Ja, Liebste, wir werden immer und ewig zusammen sein. Bis die Götter von ihrer unendlichen Reise zurückkehren und uns auf ihr Sternenschiff holen’.“
Er lachte. „Du glaubst ja nicht einmal an die ‚Heimatlosigkeit’. Und du glaubst auch nicht, dass sie uns unsterblich machen werden.“
„Mhm“, überlegte Kara. Sie ließ sich die gute Laune nicht verderben. „Mag sein! Aber den Gedanken finde ich schön.“ Sie kicherte und schenkte ihm ihr hübschestes Lächeln. „Du und ich … zusammen im ewigen Sternenmeer. Badend in Ozeanen aus Licht … an unendlichen Stränden voller Sternenstaub.“
Also wenn schon ein Meer, dann musste es ein Meer im Himmel sein. Schon verstanden!
„Nackt badend?“ Sein Mund verzog sich zu einem schmutzigen Grinsen.
Sie überlegte. „Ich glaube, die Götter kennen keine Scham … Also ja.“ Sie sah ihm sehr tief in die Augen, hob schmachtend die Hand zu seiner Wange und küsste ihn. Diesmal besonders sanft und zärtlich.
Er genoss den Kuss. Und doch … Er wünschte sich noch immer, dass etwas Aufregendes passierte. Etwas, das sein Herz in Raserei versetzte. Ihm eine Mordsgänsehaut bereitete – so wie das, was ihm schon seit geraumer Zeit durch den Kopf ging …
Noch hatte er keinem davon erzählt.
„Kara … Ich möchte dir was sagen“, flüsterte er ihr auf die Lippen.
„Was immer du willst, Schatz“, summte sie glücklich und strich ihm über die kräftigen Brustmuskeln.
Er verlor sich in ihren Augen.
„Ich … Ich liebe dich. Und was immer ich tun werde … Ich möchte, dass du weißt …“
Ihre Hand erreichte seine Bauchmuskeln, das Handtuch und diesmal stoppte sie nicht.
Es fiel herab und seine Erektion hüpfte ins Freie.
Er schnaufte auf.
„Kara!!“
Sie gluckste hell.
„Mama ist heute noch bis zum Abend außer Haus.“
„Ich …“
Ein Schatten erschien in der Tür.
Er sah hoch.
Oh nein!
Nein, nein und nochmals nein!
Dariell!!!
Karas Mutter!
Sie starrte zur Tür herein und ihre Silberaugen wurden groß. Erstaunt hob sie die Augenbrauen.
Sie bemerkte seine vollsteife Erektion und ein mysteriöses Lächeln huschte über ihre atemberaubenden Lippen.
Aber – und das war das Schlimmste – sie sagte kein Wort …
Oh Mann!
Kumar wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte. In GROSSEN Schwierigkeiten sogar. Und diesmal würde er sich nicht einfach rausreden können.
Sie waren eine typisch maleyanische Familie. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie waren eine typisch „traditionelle“ Familie. Und natürlich wäre es verrückt gewesen zu behaupten, dass alle Menschen so lebten. Doch es waren ziemlich viele – vor allem in Beamtenkreisen. Keine Ahnung, wie das anderswo in der Welt gehandhabt wurde, doch in Merlisade war eine traditionelle Ehe ein Zeichen von Bodenständigkeit, Brauchtumsbewusstsein und mit großem Ansehen verbunden.
In seiner Schule führten alle Kinder ein Leben wie er. Dort kamen alle aus traditionellen maleyanischen Familien mit vier Eltern. Außer vielleicht Dadad. Der stammte aus einer jomdahnischen Familie und sein Vater besaß vier Frauen. Angeblich hätte er alle vier in nur einer Nacht geschwängert. Egal … Im Grunde kannte er niemanden, der weniger als drei Geschwister hatte.
Und eigentlich war Kara nicht wirklich seine Schwester. Zumindest nicht seine leibliche. Kara war nämlich die Tochter seines zweiten Vaters Raian und der ersten Frau seines Vaters Daev – Dariell. Ja, es war kompliziert. Und dann wiederum gar nicht. Es war ganz einfach.
Sein Vater Daev, seine erste Frau Dariell, seine Mutter Teyla und sein zweiter Vater Raian führten die traditionelle Ehe zu viert. Jeder liebte jeden – auf seine ganz spezielle Art. Und natürlich lebten sie alle zusammen in derselben Beamtenvilla.
Ein wenig kniffliger wurde es erst, wenn man über seine Geschwister zu sprechen begann. Und auch dann war es wiederum ganz einfach.
Sein Halbbruder Brendn war der älteste Sohn seines Vaters Daev und seiner ersten Frau Dariell. Er war der mit dem schwarzen Haar, den fast brutalen Gesichtszügen und dem typischen jomdahnischen Anjou-Blick …
Er – Kumar – war Daevs zweiältester Sohn mit seiner Mutter Teyla und kam ganz nach ihr – blaue Augen, dunkelblondes Haar. Dass er Kumar hieß, kam ihm wie ein schlechter Witz vor – allerdings keiner, über den er lachen konnte. Denn niemand hatte ihm jemals die Pointe verraten …
Loren war der Drittälteste. Sein Vater war Raian und seine Mutter Dariell. Er hatte die ständig gute Laune seines Vaters geerbt, lächelte daher immer sommersprossig und besaß immer die bravste Frisur von allen.
Dann war da noch seine ältere Halbschwester Mirissa. Sie war auch Raians und Teylas Tochter und war schon seit ihrer Geburt Brendn versprochen.
Und zum Schluss kam die süße Kara als Jüngste. Sie war die Tochter von Raian und Dariell, besaß ihre bestechende Schönheit und das typisch sanfte maleyanische Wesen ihres Vaters für das dieser Kontinent so berühmt war.
Somit hatte sein Vater zwei Söhne und Raian zwei Töchter und einen Sohn. Als Einziger war Loren niemandem versprochen … und … nein … Kumar schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, eine Ehe mit seinem kleinen Bruder einzugehen. Er hatte es nicht so mit Jungs – außerdem hätte er dann unwiderruflich auf Kara verzichten müssen. Und sie war eindeutig die, die er wollte.
So war das mit seiner Familie. Ein bunter Regenbogen in allen Farben. Eigentlich ganz überschaubar, wenn man länger darüber nachdachte. Er lebte schon sein ganzes Leben lang auf diese Weise, kannte es gar nicht anders … Denn als Kara geboren worden war, hatte Dariell zu ihm gesagt: „Begrüße deine zukünftige Frau, Kumar“.
Natürlich hatte er sich damals als Halbjähriger nicht vorstellen können, zu heiraten, als er die kleine Kara mit Käseschmiere im Gesicht sah. Aber in den letzten knapp dreißig Doppelmonden hatte sich Kara zu einem echt heißen Mädchen entwickelt – zu einem verdammt heißen Mädchen sogar. In eine, die das Küssen genauso liebte wie er und die davon beseelt war, eine traditionelle Ehe zu viert zu führen.
Und jetzt … Er hatte das Gefühl, Dariell eine Erklärung dafür schuldig zu sein, was da vorhin vorgefallen war. Der Anstand hätte es geboten, sie und Raian zumindest um Erlaubnis zu bitten, bevor er mit ihrer Tochter schlief und … auch wenn sie einander von Kindesbeinen an versprochen waren, hieß das nicht, dass er sich einfach nehmen konnte, was er wollte. Von ihm als Älteren wurde erwartet, dass er diese Regeln befolgte und die Grenzen einhielt. Jetzt würde er mächtigen Ärger kriegen, denn Dariell würde es sicher Raian erzählen, Raian seinem Vater Daev und dieser würde mit seiner Mutter Teyla sprechen – und alle vier würden superböse auf ihn sein. Dass Brendn schon seit ewigen Doppelmonden mit Mirissa schlief, änderte an der Sache rein gar nichts. Denn die planten bereits ihre Hochzeit.
Verdammt!
…